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Die Digitalisierung in der Justiz

Die Kantone und der Bund haben unter Federführung ihrer Justiz- und Exekutivbehörden gemeinsam die Digitalisierung in der Justiz initiiert.

Diese betrifft die rund 300 kantonalen (erst- und zweitinstanzliche Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte) und Bundesgerichte in der Schweiz, die Staatsanwaltschaften der Kantone und die Bundesanwaltschaft sowie den Schweizerischen Anwaltsverband SAV und die kantonalen Anwaltsverbände.

Die verschiedenen Projekte

Voraussetzung für den digitalen Wandel ist ein angemessener gesetzlicher Rahmen auf kantonaler und Bundesebene. Ausserdem müssen die Arbeitsabläufe der Justizbehörden, ihre Informationssysteme, die Arbeitsplätze der Richter und Richterinnen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die Sitzungssäle angepasst werden.

Im Dezember 2024 hat die Bundesversammlung das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) verabschiedet. Dieses legt die Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation und Akteneinsicht in der Justiz fest und listet die notwendigen Änderungen des Bundesverfahrensrechts auf. Die Kantone ihrerseits müssen ihr kantonales Recht, insbesondere ihr Verwaltungsverfahrensrecht anpassen.

Ferner haben die Schweizer Justizkonferenz, bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Justizbehörden auf Bundes und kantonaler Ebene, und die Konferenz der Kantonalen Justiz und Polizeidirektorinnen und direktoren (KKJPD) das gesamtschweizerische Projekt Justitia 4.0 lanciert, um so weit wie möglich gemeinsam die Umsetzung des digitalen Wandels in der Justiz voranzutreiben. Ziel dieses Projektes ist vor allem, eine zentrale Plattform für die elektronische Rechtsverkehr und die Akteneinsicht und Übermittlung, justitia swiss, aufzubauen.

Das gesamtschweizerische Projekt will nicht selbst die Digitalisierung in den einzelnen Justizbehörden umsetzen, sondern überlässt diese Aufgabe vorrangig den Kantonen. So verfolgt beispielsweise die Genfer Justiz mit eDossier judiciaire ein eigenes internes Projekt, das Arbeitsabläufe, Informationssystem, technische Ausstattung, Sitzungssäle und Arbeitsplätze der Richter und Richterinnen und der Mitarbeitenden an die digitale Zukunft anpassen soll.

Der Zeitrahmen des Vorhabens ist noch vorläufig. Er hängt ab vom Datum des Inkrafttretens des BEKJ sowie vom Zeitplan der Umsetzung der bundesgesetzlichen Vorgaben auf kantonaler Ebene, die spätestens in einer Rahmenfrist von 5 Jahren ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes abgeschlossen sein muss. 

Auswirkungen auf das Verwaltungsgerichtsverfahren

Die Kantone entscheiden, ob sie die elektronische Justizakte auch im Verwaltungsgerichtsverfahren einführen wollen. Wenn ja, müssen sie das kantonale Recht entsprechend ändern und einen Zeitplan für die Umsetzung festlegen. Der Kanton Genf wird voraussichtlich ein dem Bundesrecht ähnliches System einführen und das Genfer Verwaltungsverfahrensgesetz anpassen. Das jedenfalls befürwortet die Genfer Justiz.

Das Inkrafttreten des neuen Gesetzes wird in zwei Etappen erfolgen. Die Bestimmungen zur Gründung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und zur datenschutzrechtliche Aufsicht durch den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten sind am 1. Oktober 2025 in Kraft getreten; die übrigen Vorschriften werden später in Kraft treten.

Möglicher Zeitplan

Das BEKJ sieht eine Frist zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben vor. Kantone und Eidgenossenschaft müssen das Datum festlegen, an dem ihre Justizbehörden die elektronische Justizakte eingeführt haben müssen. Dieses kann frühestens ein Jahr nach Inkrafttreten aller gesetzlicher Bestimmungen des BEKJ liegen, spätestens aber 5 Jahre nach diesem Zeitpunkt. Ausserdem sind die Kantone frei, für Zivil- und Strafverfahren andere Zeitpunkte vorzusehen. Derart soll ihnen ermöglicht werden, schrittweise zur elektronischen Aktenführung überzugehen und den digitalen Wandel so problemlos wie möglich zu gestalten.

Wenn somit gemäss BEKJ die Transformation in Zivil- und Strafverfahren sukzessive durchgeführt werden kann und ferner der Kanton über die Einführung der elektronischen Akte in den vom kantonalen Recht geregelten Verfahren frei entscheiden kann, könnte die Digitalisierung im Kanton Genf in drei getrennten Schritten erfolgen: im Zivilverfahren, im Strafverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren.

Die einzelnen Etappen könnte man sich etwa folgendermassen vorstellen :

 

  • Inkrafttreten der Bestimmungen des BEKJ betreffend die Gründung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft am 1. Oktober im Laufe des Jahres 2025 aufgrund des Bundesratsb(was allerdings einen entsprechenden Beschlusses vom 19. September 2025 des Bundesrats voraussetzt) ;
  • Inkrafttreten der anderen Bestimmungen des BEKJ im Januar 2027 (was ebenfalls einen entsprechenden Bundesratsbeschluss voraussetzt). Ab diesem Zeitpunkt haben die Anwaltschaft und die persönlich handelnden Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit (nicht aber die Pflicht), mit den Justizbehörden in der gesamten Schweiz über die Plattform justitia.swiss zu kommunizieren; die Justizakten würden weiterhin in Papierform geführt und die Gerichte könnten auch künftig auf dem Postweg kommunizieren ;
  • Einführung der obligatorischen elektronischen Justizakte in Genf im Laufe des Jahres 2028 zum Beispiel in Ziviverfahren (was einen entsprechenden Beschluss des Kanton Genf voraussetzt). Ab diesem Zeitpunkt wären die Zivilgerichte zur ausschliesslich elektronischen Aktenführung, Kommunikation und Gewährung der Akteneinsicht verpflichtet ; nur die persönlich handelnden Verfahrensbeteiligten könnten weiterhin im Papierformat kommunizieren ;
  • Einführung der obligatorischen elektronischen Aktenführung in Genf im Laufe des Jahres 2029 zum Beispiel im Strafprozess (was einen entsprechenden Beschluss des Kanton Genf voraussetzt) ; die Rechtslage wäre die gleiche wie im Zivilprozess ;
  • Einführung der obligatorischen elektronischen Aktenführung in Genf im Laufe des Jahres 2030 im Verwaltungsgerichtsverfahren  (was einen entsprechenden Beschluss des Kanton Genf voraussetzt) ; die Rechtslage wäre die gleiche wie im Zivil- und Strafprozess.

Nach Festsetzung des Zeitpunkt des Inkrafttretens des BEKJ durch den Bundesrat bestimmen somit die Genfer Behörden den Zeitplan und die Reihenfolge, in der die Digitalisierung in den verschiedenen Verfahren eingeführt werden soll, wobei eine andere als die hier beispielhaft dargestellte Reihenfolge selbstverständlich möglich ist. Das Bundesrecht selbst sieht für Zivil- und Strafverfahren eine einzige zwingende Regel vor : Alle Kantone müssen die elektronische Aktenführung spätestens 5 Jahre nach Inkrafttreten aller Bestimmungen des BEKJ eingeführt haben, in obigem Beispiel also spätestens im Jahre 2032.
 

Inhalt des BEKJ

Das am 20. Dezember 2024 verabschiedete Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) legt die Rahmenbedingungen für die elektronische Kommunikation und Akteneinsicht fest und passt das Bundesverfahrensrecht an. Es regelt insbesondere

  • die Pflicht der Justizbehörden, die Akten digital zu führen,
  • die Pflicht der Justizbehörden, mit der Anwaltschaft oder anderen beruflichen Rechtsvertretern elektronisch zu kommunizieren,
  • die Pflicht der Anwaltschaft oder anderer beruflicher Rechtsvertreter, ihrerseits mit den Justizbehörden elektronisch zu kommunizieren und die Akten elektronisch einzusehen, sowie
  • die Möglichkeit einer elektronischen Kommunikation und Akteneinsicht durch persönlich handelnde natürliche und juristische Personen.

Ferner enthält das BEKJ Bestimmungen zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen Bund und Kantonen, deren Ziel die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist. Diese soll justitia.swiss heissen und die gleichnamige Plattform sowie gemeinsam entwickelte weitere elektronische Justiz-Applikationen betreiben. Sie wird geleitet von der Versammlung, bestehend aus dem Vorsteher oder der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, dem Präsidenten oder der Präsidentin des Bundesgerichts und je 2 Vertretern oder Vertreterinnen jedes Kantons, der Partei der Vereinbarung ist, sowie vom Vorstand. Der Entwurf der Vereinbarung wird gegenwärtig in Bundes- und kantonalen Behörden diskutiert.

Die Plattform justitia.swiss und die e-Justizakte-Applikation

Das Projekt Justitia 4.0 verfolgt insbesondere das Ziel, eine sichere Justizplattform justitia.swiss zur elektronischen Kommunikation mit den Justizbehörden und zur online Akteneinsicht aufzubauen. Die Ende 2022 begonnenen Arbeiten dauern noch an.

Weiter wird das Projekt Justitia 4.0, eine technische Lösung für das effiziente und benutzerfreundliche Arbeiten mit der digitalen Akte zur Verfügung stellen, nämlich die e-Justizakte-Applikation (JAA), die die kantonalen und eidgenössischen Justizbehörden übernehmen können. Die Genfer Justizbehörden, neben denen der Kantone Bern und Aargau, haben im Laufe des Jahres 2022 an der im Rahmen von Justitia 4.0 durchgeführten Machbarkeitsstudie teilgenommen. Der erstinstanzliche Zivilgericht benutzt die JAA im Rahmen eines Pilotenprojekts seit Oktober 2025.

Als zentralen Pfeiler enthält das Projekt Justitia 4.0 ferner einen Katalog von Begleitmassnahmen, die Bund und Kantone bei der Digitalisierung unterstützen sollen (Projekt Transformation). Diese müssen den Genfer Erfordernissen entsprechend angepasst und ergänzt werden.

Test der Plattform justitia.swiss durch das Genfer Zivilgericht

Test der Plattform justitia.swiss durch das Genfer Zivilgericht

Das gesamtschweizerische Projekt Justitia 4.0. hat eine die Grundtransaktionen enthaltende  erste Version der Plattform justitia.swiss entwickelt, die inzwischen in die Pilotphase bestimmter Justizbehörden eingetreten ist. Die durch die praktische Anwendung der Plattform gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse sowie die Rückmeldungen sollen in die Weiterentwicklung der Plattform einfließen.

Die Genfer Justiz hat als Pilot ihr Zivilgericht vorgeschlagen, das diese Grundversion der Plattform testen soll.

So wählen seit September 2024 mehrere  Kammern des erstinstanzlichen Zivilgerichts bestimmte Verfahren aus, in denen einige Funktionalitäten der Plattform unter realen Gegebenheiten angewendet werden, vor allem

- die Übermittlung von Eingaben, Aktenstücken und Beweismitteln durch die Anwaltschaft an das Gericht,

- die Übermittlung und Zustellung von Aktenstücken und Entscheiden durch das Gericht sowie

- die Freigabe der Akten zur online Einsichtnahme. 

Die Pilotphase erlaubt, in diesen Bereichen das ordnungsgemässe Funktionieren der Plattform zu überprüfen und den Grad der Anwenderzufriedenheit festzustellen.

Der Genfer Anwaltsverband (Ordre des avocats) unterstützt das Vorgehen durch seine Mitarbeit. Er setzt sich vollumfänglich dafür ein, die Anwaltschaft bei den auf sie zukommenden einschneidenden Umstellungen zu unterstützen.

Test der Plattform justitia.swiss durch das Genfer Zivilgericht

Test der Plattform justitia.swiss durch das Genfer Zivilgericht

Das gesamtschweizerische Projekt Justitia 4.0. hat eine die Grundtransaktionen enthaltende  erste Version der Plattform justitia.swiss entwickelt, die inzwischen in die Pilotphase bestimmter Justizbehörden eingetreten ist. Die durch die praktische Anwendung der Plattform gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse sowie die Rückmeldungen sollen in die Weiterentwicklung der Plattform einfließen.

Die Genfer Justiz hat als Pilot ihr Zivilgericht vorgeschlagen, das diese Grundversion der Plattform testen soll.

So wählen seit September 2024 mehrere  Kammern des erstinstanzlichen Zivilgerichts bestimmte Verfahren aus, in denen einige Funktionalitäten der Plattform unter realen Gegebenheiten angewendet werden, vor allem

- die Übermittlung von Eingaben, Aktenstücken und Beweismitteln durch die Anwaltschaft an das Gericht,

- die Übermittlung und Zustellung von Aktenstücken und Entscheiden durch das Gericht sowie

- die Freigabe der Akten zur online Einsichtnahme. 

Die Pilotphase erlaubt, in diesen Bereichen das ordnungsgemässe Funktionieren der Plattform zu überprüfen und den Grad der Anwenderzufriedenheit festzustellen.

Der Genfer Anwaltsverband (Ordre des avocats) unterstützt das Vorgehen durch seine Mitarbeit. Er setzt sich vollumfänglich dafür ein, die Anwaltschaft bei den auf sie zukommenden einschneidenden Umstellungen zu unterstützen.

eDossier judiciaire

Das Programm eDossier judiciaire wurde von der Genfer Justiz entwickelt, um die digitale Transformation in den hiesigen Justizbehörden zu verwirklichen. Es ergänzt das gesamtschweizerische Programm, das nicht zum Ziel hat, die kantonalen Behörden bei der konkreten Umsetzung der Reform zu unterstützen.

Der Entwurf eines Loi d’investissement du programme eDossier judiciaire zur Finanzierung der Digitalisierung in der Genfer Justiz wurde vom Grand Conseil (Kantonsparlament) am 27. Januar 2023 angenommen.

Über den Genfer Beitrag zum Projekt Justitia 4.0 hinaus dienen die genehmigten Mittel der Anpassung

  • des Informationssystems der Genfer Justiz, also der Neugestaltung der vorhandenen Applikationen, der Einbeziehung der künftigen eDossier judiciaire-Applikation und der Schnittstellen für die Anbindung an die nationale Plattform justicia.swiss,
  • der Arbeitsabläufe, die durch den Wechsel von der Papierakte zur elektronischen Akte notwendig wird,
  • der Software und der zum Scannen der Dokumente notwendigen Ausrüstung,
  • der Arbeitsplätze und Sitzungssäle, in Zusammenarbeit mit dem Office cantonal des bâtiments,
  • der Infrastrukturen des Office cantonal des systèmes d’information et du numérique, insbesondere der durch die Umstellung auf die digitale Akte notwendigen Erhöhung der Datenspeicherkapazität.

Ferner sollen die Mittel eingesetzt werden zur Finanzierung

  • des Wechsels zur digitalen Archivierung,
  • der Digitalisierung der laufenden Justizverfahren sowie
  • der für die Transformation notwendigen Begleitmassnahmen.