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Die Mediation fördern

Ein ehrgeiziges und innovatives Werkzeug zur Förderung der gütlichen Streitbeilegung.

Ein Gesetz, ein Projekt

"L’État encourage la médiation et les autres modes de résolution extrajudiciaire des litiges."

(Der Kanton fördert die Mediation und die anderen Arten der aussergerichtlichen Streitbeilegung.)

Dies bestimmt die Genfer Kantonsverfassung in Art. 120.

Seit mehreren Jahren wird auf verschiedenen Ebenen an der Umsetzung dieser Vorschrift gearbeitet, vor allem seit Annahme der Motion M 2449 durch den Grand Conseil (Kantonsparlament) im Jahre 2018 und anschliessender Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs durch den Conseil d’État (Kantonsregierung) im Jahre 2021.

Die Genfer Justiz ihrerseits hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, der Mitglieder der Anwaltskammer (Ordre des avocats), der Association des juristes progressistes, der Fédération Genevoise MédiationS, der Antenne de médiation et de prévention d’Astural, der ScopalE sowie Vertretungen der für die Sicherheit zuständigen Direktion und der Bildungsdirektion angehören, ebenso wie die kantonale Mediationsbehörde für Verwaltungsangelegenheiten. Diese Arbeitsgruppe hat insbesondere eine Bestandsaufnahme der schon bestehenden Massnahmen zur Förderung der Mediation vorgenommen und einen Katalog notwendiger ergänzender Massnahmen vorgelegt, die vor allem die Bereiche Information und Werbung, Verhältnis zu Gerichtsverfahren, Schulung, finanzielle Hilfen und vernetztes Arbeiten betreffen.

Aufbauend auf diesen Arbeiten wurde der Gesetzesentwurf von 2021 von allen Akteuren gemeinsam grundlegend überarbeitet und das Mediationsgesetz im Januar 2023 vom Grand Conseil verabschiedet.

Ziel des Gesetzes ist es, die gütliche Streitbeilegung zu fördern und dadurch zum sozialen Frieden beizutragen sowie die ständig zunehmende Tendenz einzudämmen, bei Konflikten in den sozialen Beziehungen sogleich das Gericht anzurufen («Vergerichtlichung»).

Hierzu stellt das neue Gesetz einen Katalog innovativer und ehrgeiziger Massnahmen zur Verfügung, von denen insbesondere folgende zu nennen sind:

  • umfassende Information der Öffentlichkeit,
  • Ausweitung der Schulungsangebote für Mediationspersonen,
  • finanzielle Anreize und
  • Schaffung eines Mediationsbüros.

Die Genfer Justiz und ihre Partner arbeiten aktiv an der Umsetzung des Gesetzes, das im Januar 2024 in Kraft tritt.

Das neue Instrumentarium

Das Gesetz verpflichtet die Genfer Justizbehörden, die neuen Massnahmen zur Förderung der aussergerichtlichen Streitbeilegung durch Bereitstellen der erforderlichen verwaltungstechnischen, finanziellen und logistischen Mittel umzusetzen.

Bereiche

Dieser gesetzliche Auftrag umfasst alle Bereiche, in denen eine Mediation sinnvoll erscheint:

  • in zivilrechtlichen Angelegenheiten, zum Beispiel bei Konflikten innerhalb der Familie oder zwischen Erben, im Berufsleben oder in Wohnungsangelegenheiten (etwa Miete, Nachbarschaft) sowie im Geschäftsleben;
  • im Strafrecht, Jugendstrafrecht eingeschlossen, wobei das für den konkreten Fall zuständige Gericht die Aufgabe hat, die Mediation in Gang zu setzen;
  • in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, indem die Konfliktparteien an das Mediationsbüro oder andere spezialisierte Mediationsstrukturen (etwa der Polizei oder der Hôpitaux universitaires de Genève HUG) weitergeleitet werden; allerdings können bei bestimmten Streitigkeiten, etwa zwischen Nachbarn in einem Baurechtsverfahren, auch private vereidigte Mediationspersonen tätig werden.

Lenkungsausschuss

Die Umsetzung des Massnahmenbündels zur Förderung der Mediation obliegt einem Ausschuss, dem 2 von der Genfer Commission de médiation ernannte vereidigte Mediationspersonen, 2 von der Anwaltschaft gewählte und im kantonalen Anwaltsregister eingetragene Anwälte oder Anwältinnen, 3 von der Geschäftsführungskommission der Genfer Justiz bezeichnete Richter/innen sowie der Generalsekretär der Justizbehörden als Präsident angehören.

Dieser Lenkungsausschuss setzt sich aktuell zusammen aus:

  • Herrn Patrick BECKER, Generalsekretär der Genfer Justizbehörden, Präsident
  • Herrn Yves BERTOSSA, Oberstaatsanwalt
  • Frau Emmanuelle DUFOUR-IMSAND, Vize-Präsidentin des Zivilgerichts
  • Frau Michèle PERNET, Richterin am erstinstanzlichen Verwaltungsgericht
  • Frau Pascale BYRNE-SUTTON, vereidigte Mediatorin
  • Herrn Philippe SCHNEIDER, vereidigter Mediator
  • Frau Diane BROTO, Anwältin
  • Herrn Philippe COTTIER, Anwalt

In einem ersten Schritt muss dieses Gremium diejenigen vereidigten Mediationspersonen auswählen, die zusammen das Mediationsbüro bilden werden. Danach soll er alle Massnahmen vorschlagen, die das neue System verbessern könnten, einschliesslich Sensibilisierung und Schulung.

Der Lenkungsausschuss überwacht den Betrieb des neuen Systems, indem er allfällige Schwierigkeiten offenlegt, auf die das Mediationsbüro bei seiner Arbeit stösst, und ggf. Korrekturmassnahmen vorschlägt. Ausserdem verfolgt er die Entwicklung der Indikatoren und Statistiken sowie die Vergabe der finanziellen Mittel. Schliesslich erstellt er den jährlichen Tätigkeitsbericht zu Händen des Grand Conseil (Kantonsparlament) und der Geschäftsführungskommission der Genfer Justiz.

Das Mediationsbüro

Das Mediationsbüro ist der Justiz angegliedert, die passende Räumlichkeiten im Palais de Justice zur Verfügung stellt, und setzt sich aus vereidigten Mediationspersonen zusammen, die es unter Verantwortung einer Koordinationsperson betreiben und eine tägliche Anwesenheit garantieren. Es wird im Januar 2024 eröffnet.

Aufgaben und Dienstleistungen

Vorrangige Aufgabe des Mediationsbüros ist es, Öffentlichkeit und Fachleute über die Modalitäten der gütlichen Streitbeilegung ausführlich zu unterrichten und die Kohärenz der von allen implizierten Stellen bereitgestellten Informationen zu gewährleisten.

Die Mitglieder des Büros spielen eine Schlüsselrolle bei der Einleitung der Mediation. Sie nehmen die entsprechenden Mitteilungen der Gerichte entgegen, die die Prozessparteien aufgefordert haben, sich über die Möglichkeit einer Mediation zu unterrichten oder eine solche zu versuchen. Wenn nötig, verweisen sie die Konfliktparteien auf besondere Mechanismen der gütlichen Streitbeilegung und erläutern deren Funktionsweise oder Vorteile.

Generell können sie von jeder interessierten Person konsultiert werden, mit oder ohne vorherige Anmeldung und unabhängig davon, ob ein Gerichtsverfahren anhängig ist.

Wenn die Parteien selbst keine Mediationsperson benannt haben, wird das Mediationsbüro eine solche je nach Art des Konflikts aus dem von der kantonalen Verwaltung geführten Register auswählen und den Parteien vorschlagen.

Das Büro ist als echte Schnittstelle zwischen Mediation und allfälligem Gerichtsverfahren konzipiert. So unterrichtet es beispielsweise das zuständige Gericht vom Erfolg oder Nichterfolg einer Mediation, d.h. davon, ob eine einvernehmliche Lösung des Konflikts gefunden wurde oder nicht.

Finanzielle Anreize

Der kostenlose Zugang ist ein wichtiges Argument zur Förderung der Mediation. Das Mediationsbüro gewährt auf Antrag der Betroffenen folgende finanzielle Hilfen:

  • Mediationssitzungen – Die Konfliktparteien können beim Mediationsbüro die Übernahme der Kosten für 7,5 Stunden Mediation, maximal dreimal verlängerbar, beantragen; dem Antrag wird stattgegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

    o gegenseitige und übereinstimmende Erklärungen der Konfliktparteien, eine Mediation zu versuchen
    o Einschalten einer im kantonalen Mediationsregister eingetragenen vereidigten Mediationsperson
    o genügend enger Zusammenhang des Konflikts mit dem Kanton Genf.
     
  • Co-Mediation – Wenn besondere Umstände es rechtfertigen, kann das Mediationsbüro auf Antrag der Parteien oder der beauftragten Mediationsperson auch die Kosten für die Einschaltung einer Co-Mediationsperson übernehmen.
     
  • Anwaltshonorar Bei Bedürftigkeit und auf Antrag einer Partei kann das Büro einen Zuschuss zu ihren Anwaltskosten (2,5 Stunden) gewähren, um ihr den Einstieg in das Mediationsverfahren zu erleichtern.
     
  • Rechtsberatung Ausnahmsweise und auf vorherigen Antrag der Mediationsperson kann das Büro die Kosten für ein Rechtsgutachten übernehmen, wenn eine schwierige Rechtsfrage im Vorfeld abgeklärt werden muss, damit eine nachhaltige Lösung gefunden werden kann.

Siehe auch

Ablauf einer Mediation

Die Mediation ist ein Verfahren der Konfliktlösung, bei dem eine Mediationsperson als neutrale, unparteiische und unabhängige dritte Partei die Kommunikation zwischen den Parteien erleichtert und sie darin unterstützt, selbst eine faire und dauerhafte Lösung für ihre Konflikte zu erarbeiten.