Vorwort
In dieser Ausstellung werden wichtige Grundsätze der Demokratie und der Justiz angesprochen. Ausgehend davon, dass das Recht keine feststehende Grösse ist, sondern sich mit der Zeit ändert, von seinem Umfeld geprägt wird, die gesellschaftlichen Ideen widerspiegelt und von Politik, Moral, Philosophie, Wirtschaft usw. beeinflusst wird, lässt sich feststellen, dass Recht, Justiz und Demokratie, wie wir sie heute kennen, das Ergebnis einer langen Geschichte sind, deren fortwährende Entwicklung sie nachvollziehen.
Anhand einer chronologischen Zeitleiste mit Kapiteln und Personen, die mit der Justiz ihrer jeweiligen Epoche konfrontiert sind, veranschaulicht die Ausstellung diese Dynamik. Ursprünglich real im Palais de Justice in Genf gezeigt, kann sie jetzt auch online besucht werden.
Zur wissenschaftlichen Vertiefung der behandelten Themen empfehlen wir, die in der Bibliographie aufgeführten Werke und Referenzen zu konsultieren.
16. Jahrhundert
Im 16. Jahrhundert wird das vormals fürstbischöfliche Genf eine Republik. Nach der Flucht des katholischen Fürstbischofs wird im Jahr 1536 die Reformation eingeführt.
In dieser von Hexenprozessen und oft strenger Rechtsprechung geprägten Zeit lässt sich eine Entwicklung hin zum schriftlichen Zivilprozess beobachten; ausserdem werden die wichtigsten Erlasse des Genfer Zivil-, Straf- und Strafprozessrechts schriftlich abgefasst.
17. Jahrhundert
Das 17. Jahrhundert ist geprägt von Hungersnöten, Pestepidemien, Klimaproblemen (sogenannte Kleine Eiszeit) und Kriegen. Hexenverfolgungen sind gang und gäbe; die letzte Hinrichtung einer «Hexe» in Genf findet 1652 statt.
Da das materielle Strafrecht gesetzlich nicht geregelt ist, bedient sich die Strafgerichtsbarkeit ausschließlich prozessualer Regeln. Das Strafverfahren ist inquisitorisch, schriftlich, geheim und nicht kontradiktorisch, benachteiligt somit den Angeklagten. Es stützt sich auf das Geständnis als Beweis, das bis 1738 unter Folter («peinliche Befragung») erpresst werden kann.
Die Hexe
Michée Chauderon, zum Tod durch Erhängen mit anschließender Verbrennung des Leichnams verurteilt; gerichtet durch den Kleinen Rat (Petit Conseil) am 3. April 1652.
In dieser Zeit des Elends und der Gewalt kündigt der Prozess gegen Michée Chauderon das Ende der «großen Hexenverfolgung» an, die seit Mitte des 15. Jahrhunderts in ganz Europa wütet. Seit den ersten in Genf geführten Hexenprozessen ist der repressive Mechanismus solcher Verfahren gut eingespielt. Er beruhte auf der geheimen Untersuchung, dem Beizug von Hexenexperten, der Folter sowie den schriftlichen Denunziationen.
18. Jahrhundert
Das 18. Jahrhundert – die Epoche der Aufklärung – ist geprägt von der Französischen Revolution und der Verabschiedung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen).
In Genf markiert der Dezember 1792 das Ende des Ancien Régime, ein „provisorisches Sicherheitskomitee“ suspendiert die Regierung und verkündet die politische Gleichheit aller Bevölkerungsgruppen. Die Genfer Verfassung von 1794 führt das Geschworenengericht ein und verankert hierdurch die Volkssouveränität und das Prinzip der Gewaltentrennung.
Die Strafgerichtsbarkeit entwickelt sich zu einem von Anklageprinzip beherrschten und kontradiktorischen Verfahren, das dem Angeklagten mehr Rechte einräumt. Die Folter wird abgeschafft, nach und nach entsteht der moderne Strafvollzug und die Rechtshilfe gewinnt durch die vermehrte Auslieferung von Straftätern an Bedeutung.
19ème siècle
Suite à l'annexion de Genève par la France en 1798, le droit français remplace le droit genevois et l’organisation judiciaire de la ville est modifiée. Libérée par l’armée autrichienne, Genève retrouve son indépendance avant de rejoindre la Confédération suisse en 1815.
La constitution genevoise de 1847, rédigée par James Fazy, pose les bases de la démocratie moderne et transforme les institutions. Elle garantit l’existence du jury populaire, qui statue seul sur les questions de faits soumises à la Cour d’assises et à la Cour correctionnelle, et rétablit la justice de paix.
Der Deserteur
Barthélémy Duret, in Abwesenheit zum Tode und zu einer Geldstrafe wegen Fahnenflucht verurteilt; Urteilsverkündung durch das Militärgericht von Civita Vecchia (Italien) am 12. Dezember 1808.
Während dieser Zeit steht Genf unter der Herrschaft Napoleons und die Genfer Bevölkerung, folglich jetzt französische Staatsbürger, unterliegt den französischen Gesetzen. Viele Einwohner des neuen Département du Léman werden durch Zwangsrekrutierung in die kaiserliche Armee eingezogen und in die eroberten Gebiete entsandt.
Deserteure werden von einem Militärgericht, dem «Conseil de guerre spécial», an ihrem Einsatzort abgeurteilt. Das Studium solcher Urteile liefert zahlreiche Hinweise auf die geltenden Gesetze, die Zwangsrekrutierten selbst, den Ablauf des Verfahrens, die Strafen und deren Vollstreckung.
19.–20. Jahrhunder
Ereignisse von weltweiter Bedeutung beherrschen diese Epoche, insbesondere der Erste Weltkrieg (1914–1918), gefolgt 1929 von der Weltwirtschaftskrise.
In der Schweiz überträgt die Bundesverfassung von 1848 die Gerichtsorganisation den Kantonen. Mehrere bedeutende Bundesgesetze treten in Kraft, so das Schweizerische Strafgesetzbuch, das Zivilgesetzbuch sowie Gesetze über die Kranken- und Unfallversicherung und das erste Gesetz, das die Grundprinzipien der Arbeitslosenversicherung niederlegt.
In Genf werden diese Neuerungen auf Bundesebene von einer Verfassungsrevision begleitet, welche die Trennung von Kirche und Staat, das fakultative Referendum und das Initiativrecht einführt. Die Todesstrafe wird, ausser im Militärbereich, bereits 1871 abgeschafft.
Der Rechtsstaat wird insbesondere durch die Schaffung einer Verfassungskammer gestärkt, deren Aufgabe es ist, die Verfassungsmässigkeit kantonaler Normen zu kontrollieren, Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung der politischen Rechte auf kantonaler und kommunaler Ebene zu klären und Kompetenzkonflikte zwischen Behörden zu entscheiden.
Die Behörden bemühen sich, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Schutz der persönlichen Daten einerseits und der Transparenz der Verwaltung andererseits zu finden. Viele Gerichtsentscheide werden online veröffentlicht, doch die Namen der betroffenen Personen werden in der Regel anonymisiert (geschwärzt), um ihre Rechte auf Anonymität und Vergessen zu wahren.
Herr A.
Herr A. legt Beschwerde gegen seine Unterbringung in einer Sicherheitszelle an. Diese wird am 25. Oktober 2016 von der Verwaltungskammer des Genfer Obergerichts abgewiesen.
Der Bürger kann im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit gegen Entscheidungen des Staates Beschwerde führen, wie Herr A., ein Häftling, der sich als Opfer einer unverhältnismäßigen Maßnahme betrachtet, nachdem er die Ordnung im Gefängnis Champ-Dollon gestört hat. Er erhebt Beschwerde gegen seine Unterbringung in einer Sicherheitszelle bei der Verwaltungskammer des Genfer Obergerichts.
Tafel zum Herunterladen
Das 20. Jahrhundert ist geprägt vom Zweiten Weltkrieg (1939–1945) sowie von der Gründung bedeutender internationaler Organisationen wie CERN und Vereinte Nationen (UNO).
Für die Schweiz gewinnen die internationalen Beziehungen mehr und mehr an Bedeutung, tritt sie doch im Jahr 2002 der UNO bei und schliesst schon seit 1972 bilaterale Abkommen mit der Europäischen Gemeinschaft, später der Europäischen Union.
Auch die Bürgerrechte entwickeln sich weiter, insbesondere mit der Einführung des Stimmrechts für Genfer Bürgerinnen auf kantonaler und kommunaler Ebene im Jahr 1960, gefolgt von seiner Ausweitung auf Bundesebene im Jahr 1971.
21. Jahrhundert
Mit der Entwicklung der Robotik und der künstlichen Intelligenz stehen wir an der Schwelle einer neuen Revolution, die zugleich rechtliche und ethische Fragen aufwirft.
Der Gesetzgeber muss versuchen, diesen Umwälzungen Rechnung zu tragen, wie es etwa das Europäische Parlament in der «Entschliessung vom 16. Februar 2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik » tut.
Welche Rechtsstellung soll man „intelligenten“ Robotern zuerkennen? Sind sie Sachen, die einer natürlichen oder juristischen Person gehören? Wenn sie denken und schöpferisch tätig werden können, sind sie dann auch verantwortlich für ihr Handeln und Eigentümer ihrer Werke?
Wird es in Zukunft spezielle Robotik-Gerichte geben? Auf diese Fragen gibt es noch keine Antworten, doch es steht außer Zweifel, dass sich auch die Justiz den Folgen dieses tiefgreifenden Wandels unserer Gesellschaft wird stellen müssen.
PKD-1966, Spitzname „Roy-B“
Roy-B reicht eine Schadenersatzklage wegen Verletzung seines geistigen Eigentums ein; am 16. Dezember 2049 heisst das Androiden-Gericht die Klage gut.